TMT Newsletter | April 2025
Ausblick
Am 30.04.25 entscheidet der EuGH u.a. darüber, ob Gerichte bei der Freigabe personenbezogener Daten zur Überprüfung der Vermögenssituation von Richtern und Staatsanwälten als Verantwortliche i.S.d. DSGVO gelten (C-313/23). Am 02.05.25 will die EUKOM, anschließend an den dritten Entwurf aus März 2025, die endgültige Fassung ihres Praxisleitfadens für KI-Modelle mit allgemeinem Verwendungszweck (GPAIM) veröffentlichen. Am 08.05.25 veröffentlicht GA Szpunar seine Schlussanträge zur urheberrechtlichen Schutzfähigkeit von Werken der angewandten Kunst in den Rechtssachen konektra (C-795/23; BGH-Vorlage v. 21.12.23) und Mio u.a. (C-580/23). Am selben Tag entscheidet der EuGH entscheidet über die Zulässigkeit vergleichender Werbung mittels Benotungssystemen (C-697/23). Am 13.05.25 verhandelt der EuGH – nach einer unzulässigen Vorlage der Unabhängigen Schiedskommission Wien in derselben Sache (C-115/22) – auf Vorlage des öBVerwG über die Datenverarbeitung bei der Veröffentlichung von Dopingkontrollergebnissen (C-474/24). Am 14.05.25 verhandelt der EuGH über die Reichweite der Presseausnahme gem. Art. 85 DSGVO (C-199/24). Am 15.05.25 entscheidet der EuGH entscheidet darüber, ob "bequemer Kauf auf Rechnung" als Angebot zur Verkaufsförderung Informationspflichten unter der E-Commerce-RL unterfällt (C-100/24). Am selben Tag verhandelt das EuG über die Klage von Meta gegen den Benennungsbeschluss der EUKOM nach dem DMA (T-1078/23).
EuGH – Offenlegung personenbezogener Daten von Vertretern juristischer Person möglich
Trotz Bezugs zu einer juristischen Person sind Daten der vertretungsberechtigten natürlichen Person (Name, Unterschrift, Kontaktdaten) personenbezogene Daten i.S.d. DSGVO. Eine Offenlegung der Daten, um etwa der Öffentlichkeit hierzu Zugang zu gewähren, kann als Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung rechtmäßig sein. Das nationale Recht kann zusätzlich vorsehen, dass der Verantwortliche vor der Offenlegung den Betroffenen informiert, sofern dies mit verhältnismäßigen Aufwand möglich ist (C-710/23).
EuGH-GA – Zum Besitz markenrechtswidriger Waren in anderen Mitgliedsstaaten
Markeninhaber können hiergegen vorgehen, wenn der Dritte (un)mittelbare Sachherrschaft über die Waren hat und sie im Schutzland anbieten oder in den Verkehr bringen will. Letzteres könne sich etwa durch ein Ausrichten der Werbung auf das Schutzland zeigen (Anträge C-76/24).
EuGH-GA – Versagung von Funkfrequenzen muss verhältnismäßig sein
Der ungarische Medienrat hatte "Klubrádió" eine Verlängerung der Frequenzzuweisung u.a. wegen ausgebliebener Übermittlungen der Sendequoten und Fehlern im Programmplan versagt. GA Rantos hält die dagegen gerichtete Klage der EUKOM gegen Ungarn für begründet: Die Versagung wegen solcher Mängel sei und verstoße so gegen die Vergabegrundsätze des Art. 9 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie RL 2002/21/EG bzw. Art. 45 Abs. 1 des EECC RL (EU) 2018/1972 (PM, Anträge C-92/23).
EuGH-GA – Marketing mittels Mail-Newsletters zulässig
Die rumänische Datenschutzbehörde sah in täglichen Newslettern eines Online-Pressemediums eine rechtswidrige Datenverarbeitung. Nutzer, die weitere Artikel lesen wollten, mussten ein kostenloses Nutzerkonto unter Angabe ihrer Mail-Adresse anlegen. Hierbei konnten sie sich auch für den tägliche Newsletter an- oder abmelden. Nach GA Szpunar hat das Pressemedium die Daten so "im Zusammenhang mit dem Verkauf eines Produkts" erhalten, sodass es sie zur Direktwerbung verwenden durfte, Art. 13 Abs. 2 RL 2002/58/EG (Anträge C-654/23).
EuGH-GA – Grds. Streitverkündung ggü. allen Miturhebern eines Gemeinschaftswerks nötig
Die Klage von Erben eines Regisseurs und eines Drehbuchautors wurde von einem Pariser Gericht mangels Streitverkündung gegenüber allen Miturhebern des Gemeinschaftswerks als unzulässig abgewiesen. Nach GA Sánchez-Bordona stehen InfoSoc- und Durchsetzungs-RL einem solchen prozessualen Erfordernis zwar nicht grundsätzlich entgegen. Um effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten (Art. 47 GrCh), dürfe dies die Rechtsdurchsetzung indes nicht unmöglich machen ober übermäßig erschweren (Anträge C-182/24).
EuGH-GA – Erfolgsort bei Marktmachtmissbrauch durch Provisionen im App Store
Apple behält bei Verkäufen über seinen App Store bis zu 30 % des Kaufpreises als Provision ein. Bei der Klage einer niederländischen Verbraucherstiftung bestritt Apple die Zuständigkeit des Bezirksgerichts Amsterdam. Nach GA Sánchez-Bordona liege der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO) bei einem vorgeworfenen Marktmachtmissbrauch durch solche Provisionen am Wohnsitz des Käufers. Er begründet dies mit einer "Lokalisierungsfiktion" des App Stores (Anträge C-34/24).
BKartA – Google mit verbindlichen Zusagen bzgl. Google Maps und Google Automotive Services
Der Beschluss zu Google Maps sieht u.a. vor, dass Google sich verpflichtet, im B2B-Bereich die Verwendung seiner Karteninhalte (z.B. Points of Interest) auf Drittkarten zuzulassen. Im Beschluss zu Google Automotive Services hat sich Google u.a. dazu verpflichtet, Fahrzeugherstellern die Produkte Google Maps, Google Play und Google Assistant auch einzeln anzubieten. Googles Zusagen haben eine Laufzeit von zehn bzw. acht Jahren. Das BKartA hat das Verfahren damit eingestellt (BKartA PM v. 09.04.25).
BGH – Verbraucherschutzverbände können DSGVO-Verstöße verfolgen
Nachfolgend der EuGH-Entscheidung C-757/22 hat der BGH entschieden, dass Art. 80 Abs. 2 DSGVO Verbände nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG bzw. § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UKlaG ermächtigt, potentielle Datenschutzverstöße zu verfolgen. Auch eine Verletzung der Informationspflichten (Art. 12, 13 DSGVO) ist ein DSGVO-Verstoß "in Folge einer Verarbeitung". Es genügt außerdem, wenn der Verband eine Gruppe identifizierbarer potentiell Betroffener benennt, eine Beauftragung durch Betroffene muss hingegen nicht vorliegen (PM, Urteil I ZR 186/17).
BGH – Mitbewerber können über wettbewerbsrechtliche Klagen DSGVO-Verstöße verfolgen
Nachfolgend der EuGH-Entscheidung C-21/23 entschied der BGH, dass zumindest Art. 9 Abs. 1 DSGVO eine Marktverhaltensregelung i.S.d. § 3a UWG ist. Da Art. 77 ff. DSGVO zur Durchsetzung der DSGVO nicht abschließend sind, können Mitbewerber nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG gegen Verstöße vorgehen. Ein solcher kann etwa bei Datenverarbeitungen im Zusammenhang mit Onlinebestellungen von Arzneimitteln ohne datenschutzrechtliche Erlaubnis vorliegen; der BGH lässt entgegen der insoweit unrichtigen Pressemitteilung neben einer Einwilligung auch die Verarbeitung unter Verantwortung des Apothekers zu. (PM, Urteile I ZR 222/19, I ZR 223/19).
BVerwG – Sperrung von Online-Glücksspielangeboten richtet sich weiter nach TMG
Zwar ist das TMG mittlerweile durch das DDG ersetzt worden. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 GlüStV verweist aber weiterhin auf das (Ent-)Haftungsregime des TMG. Internetzugangsvermittler kommen so weiterhin in die Haftungsprivilegierung nach § 8 TMG, wenn sie die Übermittlung nicht veranlassen bzw. die Adressaten der oder die übermittelte Information selbst nicht auswählen (BVerwG PM v. 19.03.25).
BVerwG – Öffentliche Interessen können presserechtlichen Auskunftsanspruch überwiegen
Zwar folgt aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG grds. ein Anspruch der Presse auf vorhandene Informationen bei den Bundesbehörden. Bei den Informationen des BND zum Ursprung der COVID-19-Pandemie hat dieser Anspruch jedoch hinter öffentlichen Interessen zurückzustehen: Eine Veröffentlichung der Informationen könnte Erkenntnisquellen sowie Fähigkeiten und Arbeitsweisen des BND offenlegen. Die Auskunftserteilung könnte auch die diplomatischen Beziehungen zur VR China beeinträchtigen (BVerwG PM v. 22.04.25).
EuGH – Kein zwingender Marktmissbrauch bei verweigerter Interoperabilität
Ein Anspruch eines App-Anbieters auf Zugang zu einer Benutzeroberfläche setzt keine Unerlässlichkeit des Zugangs voraus („Bronner-Kriterium“). Es genügt, wenn die Benutzeroberfläche mit dem Ziel entwickelt wurde, auch Drittanbieter-Apps aufzunehmen und die Aufnahme die Drittanbieter-App für Verbraucher attraktiver macht. Der Zugang kann gleichwohl aus verschiedenen Gründen (e.g., fehlendes template, Sicherheit/Integrität der Plattform, andere technische Gründe) verweigert werden (PM, C-233/23).
EuGH – Auskunftsumfang und -ausschluss beim Profiling
Der Verantwortliche einer automatisierten Entscheidungsfindung (Art. 22 DSGVO) muss dem Betroffenen transparent und nachvollziehbar Auskunft über Verfahren und Verarbeitungsgrundsätze geben. Die Übermittlung des Algorithmus reicht nicht aus. Zwar kann sich der Verantwortliche auf ein Geschäftsgeheimnis am Algorithmus berufen. Dies rechtfertigt aber keinen gesetzlichen Ausschluss des Auskunftsrecht, sondern erfordert eine Übermittlung des Algorithmus an die zuständige Aufsichtsbehörde oder das zuständige Gericht (PM, C-203/22).
EuGH – Berichtigung der Geschlechtsidentität auch ohne Nachweis einer Operation möglich
Die Frage der „Richtigkeit“ der Daten ist für das Recht auf Berichtigung (Art. 16 DSGVO) zweck- und DSGVO-spezifisch zu beurteilen. Die Daten können auch dann unrichtig sein, wenn es im nationalem Recht kein Verfahren zur rechtlichen Anerkennung von Transidentitäten gibt. Zum Nachweis der Unrichtigkeit genügen ärztliche Atteste; der verpflichtende Nachweis einer entsprechenden Operation ist unverhältnismäßig (PM, C-247/23).
EuGH – Ansprüche angestellter ausübender Künstler nicht ohne Zustimmung abtretbar
Die im Belgischen Staatsorchester mit verwaltungsrechtlichem Status angestellten Künstler fallen unter die unionalen urheberrechtlichen Regelungen. Ihr urheberrechtlichen Beteiligungsansprüche können nicht ohne ihre Einwilligung abgetreten werden. Eine Regelung in einem „Königlichen Erlass“, die diese Ansprüche in eine Pauschalvergütung umwandelt, ist unionsrechtswidrig (C-575/23).
EuGH-GA – Vorbeugender Unterlassungsanspruch bei Datenschutzverletzung
Der Anspruch ist zwar nicht explizit in den Art. 17, 18 DSGVO normiert, er folgt nach GA Sánchez-Bordona aber aus Sinn und Zweck der Art. 5, 6, 79 DSGVO. Ein Betroffener muss sich auch gegen drohende Datenschutzverletzungen wehren können. Die Voraussetzungen dieses Anspruchs richten sich nach nationalem Recht, wobei die Grundsätze der Äquivalenz und Effektivität zu beachten sind. Ein möglicher Unterlassungsanspruch mindert nicht einen möglichen immateriellen Schadensersatzanspruch (Anträge C-655/23).
EUKOM – Über 50 % der Online-Gebrauchtwarenhändler mit Verbraucherschutzverstößen
Bei „Sweeps“ der EUKOM und nationaler Verbraucherschutzverbände hat sich gezeigt, dass von 356 überprüften Online-Händlern 52 % vermutlich gegen Verbraucherschutzregeln (Widerrufsrecht, Rückgaberecht, Garantieregeln) verstoßen. Die nationalen Behörden können nun Verfahren einleiten (EUKOM PM v. 07.03.25).
BGH – Apple mit überragender marktübergreifender Bedeutung
Der BGH bestätigte diese Feststellung des BKartA. Apple ist mit seinen verschiedenen Angeboten auf mehrseitigen Märkten tätig, § 18 Abs. 3a GWB. Für eine überragende marktübergreifende Bedeutung genügt die Möglichkeit einer Wettbewerbsbeeinträchtigung; diese muss noch nicht eingetreten sein. Die Benennung als Gatekeeper i.S.d DMA steht der Feststellung nach nationalem Recht nicht entgegen. Das BKartA kann nun bestimmte Verhaltensweisen von Apple und verbundenen Unternehmen untersagen, § 19a GWB (PM KVB 61/23).
BGH – Sandalen kein urheberrechtliches Werk der angewandten Kunst
Damit endet ein instanzgerichtlicher Streit über die urheberrechtliche Schutzfähigkeit von Birkenstock-Sandalen. Laut BGH nutzen die Schuhmodelle den gestalterischen Freiraum nicht im notwendigen Maße in künstlerischer Weise. Auch bei Werken der angewandten Kunst bedarf es eines Mindestmaßes an erkennbarer Individualität. Dies hat Birkenstock für seine Sandalen nicht dargelegt (PM, Urteil I ZR 16/24).
OLG FFM – Hostprovider muss nach Hinweis auch sinngleiche Inhalte sperren
Vor einem Hinweis, also initiativ müssen Hostprovider nicht tätig werden. Nach einem Hinweis auf einen rechtswidrigen Inhalt umfasst die Löschpflicht aber auch „sinngleiche“ Posts. Bei gleichbleibendem Text und Bild sind auch noch solche Posts „sinngleich“, die eine abweichende Gestaltung, eine bloße Änderung typografischer Zeichen oder eine zusätzliche Caption bei gleichbleibendem Inhalt aufweisen (OLG FFM PM v. 11.03.25).
LG Köln – Haftung eines Presseverlages für unrichtige Suchvorschau
Der Artikel einer Zeitung befasste sich mit Hygienemängel zweier Restaurants einer Franchisekette. Im für Suchmaschinen aufbereiteten Meta-Tag fehlte jedoch die Einschränkung, dass die Mängel nur in zwei der 94 Filialen auftragten. Der Snippet-Vorschlag wurde in der Suchmaschine unverändert angezeigt, wofür der Suchmaschinen-Betreiber nicht haftet. Der Verlag hingegen, der den verkürzten Snippet vorgegeben hatte, haftet für die Verletzung des Unternehmerpersönlichkeitsrechts (LG Köln 28 O 252/24).