Geschlechterquoten für deutsche Unternehmen

Das neue Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst

Während die Boards von Unternehmen in Ländern wie Belgien, Dänemark, Italien, den Niederlanden, Norwegen und Spanien ab einer gewissen Größe zu einem festgelegten Prozentsatz aus weiblichen Mitgliedern bestehen müssen, sind deutsche Unternehmen derzeit nicht an einen bestimmten Frauenanteil in Aufsichtsräten, Geschäftsführungen und oberen Führungsebenen gebunden. Allerdings ist die Forderung nach Geschlechterquoten seit geraumer Zeit von politischen Parteien und Lobbygruppen erhoben worden. Während sich die Diskussion zunächst auf Organe bzw. Gremien von politischen Parteien, der öffentlichen Verwaltung und börsennotierten Gesellschaften beschränkte, erfasste sie schließlich auch sonstige privatwirtschaftliche Unternehmen. Nachdem die Einführung einer Geschlechterquote bereits von mehreren deutschen Politikern in den neunziger Jahren vorgeschlagen worden war, gelangte sie im Jahr 2010 auf die politische Agenda der Bundesregierung, als die damalige Bundesfamilienministerin eine verbindliche Geschlechterquote für börsennotierte und private Unternehmen in Deutschland forderte. Dies wurde von der neuen Großen Koalition aus SPD und CDU im Jahr 2013 aufgegriffen und führte schließlich zu dem Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst, das vom Bundestag am 6. März 2015 verabschiedet wurde. Es tritt in Kraft, sobald es auch den Bundesrat am 27. März 2015 passiert, was eine reine Formsache sein sollte.

Das neue Gesetz gilt für Aktiengesellschaften (AG, SE), Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA), Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH), eingetragenen Genossenschaften (eG) und Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit (VVaG), die börsennotiert sind und/oder deren Aufsichtsräte der Mitbestimmungen unterliegen (d.h. Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern in Deutschland). Das Gesetz unterscheidet allerdings zwischen zwei Arten von Unternehmen:

  • Zum einen Unternehmen, die sowohl der paritätischen Mitbestimmung unterliegen (d.h. 50 Prozent der Mitglieder sind Vertreter der Arbeitnehmer, weil das Unternehmen mehr als 2.000 Mitarbeiter in Deutschland hat oder der Montan-Mitbestimmung unterfällt) und börsennotiert ist ("Kategorie A").
  • Zum anderen Unternehmen, die (i) nicht börsennotiert sind, aber der paritätischen Mitbestimmung unterliegen, (ii) Unternehmen, die der Drittelmitbestimmung unterliegen (d.h. das Unternehmen hat mehr als 500, aber nicht mehr als 2.000 Mitarbeiter in Deutschland), unabhängig von einer Börsennotierung, oder (iii) börsennotierte Unternehmen ohne Aufsichtsratsmitbestimmung ("Kategorie B").

Das Gesetz sieht für Unternehmen der Kategorie A die Einführung einer verbindlichen Geschlechterquote von 30 % für weibliche und männliche Mitglieder des Aufsichtsrates vor, geltend für Aufsichtsratswahlen ab dem 1. Januar 2016, und eine bestimmte Zielgröße für weibliche Mitglieder in der Geschäftsleitung und den beiden oberen Führungsebenen des Unternehmens. Die verbindliche Geschlechterquote gilt grundsätzlich für den Aufsichtsrat als Ganzes, kann also unter Umständen bereits durch die Arbeitnehmervertreter erreicht werden. Allerdings sind sowohl die Vertreter der Arbeitnehmer als auch die Vertreter der Anteilseigner im Aufsichtsrat berechtigt, vor jeder Wahl durch Mehrheitsbeschluss der entsprechenden Seite zu verlangen, dass sowohl die Anteilseignerseite als auch die Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat eine Mindestquote von 30 % für jedes Geschlecht aufweist.

Bei Nichterfüllung ist die quotenwidrige Wahl nichtig. Die für das unterrepräsentierte Geschlecht vorgesehenen Plätze bleiben rechtlich unbesetzt (sog. "leerer Stuhl"). Wenn beispielsweise eine von zwei vakanten Positionen im Aufsichtsrat durch eine Frau besetzt werden müsste, die Hauptversammlung jedoch quotenwidrig zwei männliche Aufsichtsratsmitglieder im Wege der Blockwahl wählt, wäre die Wahl beider männlicher Mitglieder unwirksam. Sofern jedoch eine Wahl zum Aufsichtsrat von einem Gericht aus anderen Gründen als dem Verstoß gegen das neue Gesetz für unwirksam erklärt wird, hat das keine Auswirkungen auf die Gültigkeit zwischenzeitlich erfolgter Wahlen, die sich auf die Geschlechterquote stützen, die bei der Wahl erzielt wurde, die für ungültig erklärt wurde. 

Für die Aufsichtsräte der Unternehmen der Kategorie B sieht das Gesetz keine verbindliche Geschlechterquote vor. Stattdessen müssen diese Unternehmen nur die oben genannten Zielgrößen für ihre Aufsichtsräte, Vorstände bzw. Geschäftsführungen und oberen Führungsebenen festlegen. Obwohl es zwingend vorgeschrieben ist, Zielgrößen bis spätestens 30. September 2015 festzulegen, drohen Unternehmen, die sich nicht daran halten, keine Sanktionen. 

Folgende Punkte sind im Hinblick auf die Zielgrößen sowohl von Unternehmen der Kategorie A als auch von Unternehmen der Kategorie B zu beachten:

  • Die Unternehmen sind verpflichtet, ihre Zielgrößen für die Teilhabe von Frauen an Führungspositionen zu veröffentlichen, entweder (i) im Rahmen ihrer Erklärung zur Unternehmensführung (vgl. § 289a HGB), (ii) in ihrem Lagebericht als Teil des Jahresabschlusses (wenn sie keine Erklärung zur Unternehmensführung abgeben), oder (iii) auf ihrer Internetseite (wenn sie weder eine Erklärung zur Unternehmensführung noch einen Lagebericht vorlegen müssen).
  • Die Unternehmen müssen einen Zeitraum für die Verwirklichung der Zielgrößen bestimmen, der fünf Jahre nicht überschreiten darf. Dabei darf allerdings der erste Zeitraum nicht länger als bis zum 30. Juni 2017 dauern. Am Ende dieses Zeitraums müssen die Unternehmen veröffentlichen, ob sie die Zielgrößen erreicht haben oder nicht.
  • Die Zielgrößen müssen den Aufsichtsrat (nur relevant für Unternehmen der Kategorie B), den Vorstand bzw. die Geschäftsführung sowie die beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands bzw. der Geschäftsführung abdecken.
  • Wenn der Frauenanteil einer Ebene weniger als 30 Prozent beträgt, darf die Zielgröße die derzeitige Größe nicht unterschreiten. Ansonsten kann das Unternehmen die Zielgröße frei bestimmen

Weder das Gesetz noch die Gesetzesbegründung gehen näher auf solche GmbHs ein, die zwar rechtlich dazu verpflichtet sind, einen mitbestimmten Aufsichtsrat zu bilden, weil sie die gesetzlichen Schwellenwerte überschreiten, jedoch keinen Aufsichtsrat gebildet haben. Wenngleich diese Gesellschaften Zielgrößen für die Geschäftsführung sowie für die beiden Führungsebenen darunter veröffentlichen müssen, könnte es als irreführend angesehen werden, wenn sie Zielgrößen für einen in Wirklichkeit nicht vorhandenen Aufsichtsrat bekannt geben. Es dürfte wohl naheliegen, dass diese Gesellschaften das Fehlen eines Aufsichtsrats in ihrem Lagebericht oder auf ihrer Website offenlegen müssen.