TMT Newsletter | Oktober 2025
Ausblick
Am 06.11.2025 verhandelt der BGH darüber, ob Wirtschaftsauskunfteien Informationen über Zahlungsstörungen auch nach Ausgleich der Forderung speichern dürfen – und wenn ja, wie lange (I ZR 97/25). Am 11.11.2025 verhandelt der BGH darüber, ob ausländischen Staaten nach deutschem Recht äußerungsrechtliche Abwehransprüche gegen inländische Medienunternehmen wegen der Verletzung des sozialen Achtungsanspruchs und der Staatenwürde zustehen (VI ZR 415/23, VI ZR 416/23). Am selben Tag entscheidet das LG München I über die urheberrechtliche Zulässigkeit des Trainings eines large language models mit Songtexten (42 O 14139/24). Am 13.11.2025 entscheidet der EuGH über die datenschutzrechtliche Zulässigkeit eines täglichen Mail-Newsletters (GA Szpunar: zulässig nach Art. 13 Abs. 2 RL 2002/58/EG, Anträge C-654/23) (C-654/23). Am selben Tag veröffentlicht GA Szpunar die Schlussanträge zur Frage, inwieweit die Meinungsfreiheit eine parodistische Markennutzung rechtfertigt (C-298/23). Am 19.11.2025 entscheidet das EuG über die Klage von Amazon u.a. gegen die Benennung als sehr große Online-Plattform, Art. 33 Abs. 4 DSA (T-367/23). Am 20.11.2025 entscheidet der EuGH über die Anforderungen an die Zugangsverpflichtung zu baulichen Anlagen nach Art. 72 RL (EU) 2018/1972 (Richtlinie über den europäischen Kodex für elektronische Kommunikation). Am 26.11.2025 verhandelt das BVerwG zur Rechtmäßigkeit der Verarbeitung von Versichertendaten zum Zwecke des Gesundheitsmanagements (6 C 7.24).
EuGH-GA – DSGVO zu Gesundheitsdaten gilt für Veröffentlichungen von Dopingverstößen
Die Nennung konkreter Doping-Substanzen betrifft nach GA Spielmann Gesundheitsdaten (Art. 9 Abs. 1 DSGVO), da sie (ggf. indirekte) Rückschlüsse auf den (künftigen) Gesundheitszustand des Betroffenen erlaubt. Nationale Regelungen zur Veröffentlichung der Doping-Verstöße müssen im Einzelfall unter Berücksichtigung von Reichweite und Dauer der Veröffentlichung verhältnismäßig sein. Eine unbegrenzte Veröffentlichung der Namen der betroffenen Sportler hält GA Spielmann für unverhältnismäßig (C-474/24).
EuGH-GA – Keine Privatkopievergütung für Offline-Streaming-Kopien
Eine Privatkopie i.S.d. Art. 5 Abs. 2 lit. b UrheberrechtsRL setzt den rechtmäßigen Zugang zur Vervielfältigungsquelle voraus. Streamingdienstnutzer erhalten die Offline-Kopie jedoch erst nach deren Erstellung. Zudem verletzt die Einordnung als Privatkopie nach GA Szpunar den Dreistufentest, Art. 5 Abs. 5 UrheberrechtsRL. Es handelt sich vielmehr um eine öffentliche Zugänglichmachung des Diensteanbieters i.S.d. Art. 3 UrheberrechtsRL (C-496/24).
EuGH-GA – DSGVO-Verstoß führt nicht per se zum Verwertungsverbot
Nach GA Spielmann schließen Art. 5 Abs. 1 lit. e i.V.m. Art. 6 DSGVO eine justizielle Verarbeitung personenbezogener Daten nicht aus, selbst wenn diese auf Daten beruhen, die unter Verstoß gegen den Grundsatz der Speicherbegrenzung erhoben wurden. Mangels einschlägigen Unionsrechts bestimmen die Mitgliedstaaten, ob und wie Gerichte mittelbar rechtswidrig erlangte Beweismittel verwerten dürfen, Art. 6 Abs. 3 lit. b i.V.m. Art. 23 Abs. 1 DSGVO. Dies kann durch formelle Gesetze oder nationale Rechtsprechung erfolgen (C-484/24).
EUKOM – Ermittlungsmaßnahmen zum Schutz Minderjähriger
Die EUKOM hat die Anbieter verschiedener Internetdienste aufgefordert, Informationen u.a. zu Alterssicherungssystemen zur Verfügung zu stellen. Grundlage sind die im Juli 2025 veröffentlichten Leitlinien für den Schutz von Minderjährigen im Rahmen des DSA (PM v. 10.10.25).
BGH – EuGH-Vorlage zu "Facebook bleibt kostenlos"
Das von der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) angestrengte Verfahren wegen angeblich unlauterer Irrführung wird ausgesetzt. Der EuGH soll darüber entscheiden, ob der Begriff "Kosten" i.S.d. Nr. 20 des Anhang I i.V.m. Art. 5 Abs. 5 RL 2005/29/EG (RL über unlautere Geschäftspraktiken) die Preisgabe personenbezogener Daten und Einwilligung in ihre kommerzielle Nutzung erfasst (I ZR 11/20).
BVerwG – Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags bei evidentem Vielfaltsmangel
Die Rundfunkbeitragspflicht (§ 2 RBStV) ist verfassungsrechtlich (nur) in Frage gestellt, wenn das öffentlich-rechtliche Gesamtprogramm die Vielfaltsanforderungen über mehr als zwei Jahre gröblich verfehlt. Dies kann und ist verwaltungsgerichtlich voll überprüfbar, ohne dass den Rundfunkanstalten ein Beurteilungsspielraum zusteht (PM v. 15.10.2025; 6 C 5.24).
OLG Nürnberg – Kein Deliktsgerichtsstand bei Social-Media-Kontosperre
Streitigkeiten zwischen Nutzer und Betreiberin eines sozialen Netzwerks wegen der Sperrung eines Nutzerkontos unter Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen sind vertraglicher Natur. Es gilt daher der vertraglich vereinbarte Gerichtsstand, nicht hingegen der Deliktsgerichtsstand (Art. 7 Abs. 2 EuGVVO). Dies gilt auch dann, wenn der Kläger zusätzlich kartellrechtliche Ansprüche geltend macht (3 W 1224/25 Kart).
OLG Hamm – Erstellung eines Bonitäts-Scores ist ein bloßes Internum
Es fehlt eine rechtliche oder ähnlich beeinträchtigende Wirkung, die für eine automatisierte Entscheidung i.S.d. Art. 22 Abs. 1 DSGVO erforderlich ist. Die Weiterleitung des Scores gilt nur als automatische Entscheidung, wenn sie die Begründung, Durchführung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses beeinflusst (so auch EuGH C-634/21 Rn. 73). Ein Anspruch auf manuelles Scoring folgt weder aus Art. 22 Abs. 1 DSGVO noch aus §§ 823, 1004 BGB (noch nicht veröffentlicht, Hinweisbeschluss 17 U 50/25).
LG Koblenz – Kein Auskunftsanspruch über den Inhaber eines Fakeprofils
Eine Nutzerin verlangte von der Betreiberin eines sozialen Netzwerks Auskunft über den Betreiber eines Accounts, der ihr eigenes Profil imitierte. Das LG lehnt eine gerichtliche Anordnung über die Zulässigkeit der Auskunftserteilung nach § 21 Abs. 3 TDDDG ab. Die Erstellung des Fake-Profils erfüllt keinen der in § 21 Abs. 2 TDDDG genannten Straftatbestände. Zudem fallen Bilder und Textnachrichten nicht unter audiovisuelle Inhalte i.S.d. § 21 Abs. 2 TDDDG (2 O 1/25).
LG Hamburg – KI-Betreiber haftet für halluzinierte Äußerung
Das LG verurteilt den Anbieter eines in ein soziales Netzwerk integrierten KI-Chatbots im einstweiligen Verfügungsverfahren zur Unterlassung unwahrer Tatsachenbehauptungen des eigenen KI-Bots, die in dem Netzwerk verbreitet werden, gem. §§ 1004 Abs. 1 S. 2 analog, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 19 Abs. 3, Art. 2 Abs. 1 GG. Der durchschnittliche Nutzer misst KI-Aussagen faktische Aussagekraft bei. An der äußerungsrechtlichen Unzulässigkeit ändert sich daher nichts. Jedenfalls macht sich der Betreiber die KI-Aussagen durch Präsentation auf seinem Account zu eigen (noch nicht veröffentlicht, 324 O 461/25).
BKartA – Verfahren gegen Temu eingeleitet
Das BKartA untersucht die Einflussnahme des Onlinemarktplatzes auf die Preisgestaltung der Händler auf dem deutschen Marktplatz. Preisvorgaben können den Wettbewerb beschränken und zu Preiserhöhungen auf anderen Vertriebswegen führen. Der Handelsverband Deutschland (HDE) reichte dazu eine Beschwerde ein (PM v. 8.10.25).