TMT Newsletter | Dezember 2025

Ausblick

Heute entscheidet der BGH, ob Wirtschaftsauskunfteien Informationen über Zahlungsstörungen auch nach Ausgleich der Forderung speichern dürfen – und wenn ja, wie lange (I ZR 97/25). Ebenfalls heute veröffentlicht GA Szpunar die Schlussanträge dazu, ob Meinungsäußerungen in sozialen Netzwerken urheberrechtlich geschützt sind (Art. 2 lit. a RL 2001/29/EG, InfoSoc-RL) und ob Mitgliedstaaten über die Schrankenregelung nach Art. 5 Abs. 3 lit. c InfoSoc-RL hinaus die Verwendung kurzer Werkauszüge zu nicht kommerziellen Zwecken erlauben dürfen (C-598/24). Zudem entscheidet der EuGH, ob sich die Informationspflichten bei der Erhebung personenbezogener Daten durch Body-Cams nach Art. 13 DSGVO oder Art. 14 DSGVO richten (GAin Medina: Art. 13 DSGVO) (C-422/24). Der EuGH entscheidet ferner, ob eine Verwertungsgesellschaft gegen Art. 102 AEUV verstößt, wenn sie die Lizenzgebühren für die Bereitstellung von Rundfunkempfangsgeräten in Hotelzimmern erhebt, ohne die tatsächliche Belegung dieser Zimmer zu berücksichtigen (GA Szpunar: kein Verstoß) (C-161/24). Der EuGH entscheidet außerdem, ob eine Marke (Familienname eines Designers) nach Übertragung verfällt, wenn sie zu Unrecht den Eindruck erweckt, der übertragende Designer wirke weiterhin an den damit gekennzeichneten Waren mit (GA Emiliou: Verfall denkbar bei Verlust der wesentlichen Herkunftsfunktion) (C-168/24). Schließlich entscheidet der EuGH heute, ob und unter welchen Voraussetzungen an Kundenwünsche angepasste Muster ("Customizing") die Schutzvoraussetzungen der "Neuheit" und "Eigenart" i.S.d. Art. 4 Abs. 1 VO Nr. 6/2002 (Gemeinschaftsgeschmacksmuster-VO) erfüllen und wer Entwerfender i.S.d. Art. Art. 14 VO Nr. 6/2002 ist (GA Emiliou: Schutzfähigkeit setzt keine "echte Gestaltungstätigkeit" oder "geistige Anstrengung" voraus) (C-323/24). Am 15.01.2026 veröffentlicht GA Rantos die Schlussanträge dazu, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Veröffentlichung im Internet sich an die Öffentlichkeit eines bestimmten Landes richten muss, um dort eine öffentliche Wiedergabe i.S.d. Art. 3 InfoSoc-RL zu sein, ob geografische Zugangssperren (Geoblocking) eine solche Ausrichtung verhindern und wem diese bei Umgehung der Zugangssperren (z.B.: VPN) zuzurechnen ist (C-788/24). Am selben Tag entscheidet der EuGH, ob Wirtschaftsakteure im Umfeld von Speichermedien (u.a. Hersteller, Händler) dann zur Zahlung einer Privatkopievergütung (Art. 5 Abs. 2 lit. b InfoSoc-RL) verpflichtet werden dürfen, wenn diese Speichermedien an gewerbliche Endkunden verkauft werden(C-822/24). Am selben Tag verhandelt der EuGH außerdem, ob sich die Grundsätze des Art. 8 Abs. 1 ROM-II-VO auch auf die (Form-)Wirksamkeit eines Lizenzvertrages erstrecken (C-176/25).

EuGH – Kein Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen Geschmacksmuster- und Urheberrecht

Für Gebrauchsgegenstände gelten keine strengeren Anforderungen an die urheberrechtliche "Originalität" als für "zweckfreie" Kunstwerke. Schaffensprozesse und Absichten des Urhebers sind für die urheberrechtliche Schutzfähigkeit unter der InfoSoc-RL nur relevant, wenn sie im Gegenstand selbst wahrnehmbar sind. Umgebende Aspekte, etwa die Nutzung vorhandener Formen und Inspirationsquellen, sind für die Beurteilung weder erforderlich noch entscheidend (C-580/23; C-795/23).

EuGH – Strenge Voraussetzungen für Zugangspflichten zu baulichen Telekommunikationsanlagen

Zugangspflichten zu baulichen Anlagen nach Art. 72 EECC dürfen nur auferlegt werden, wenn die Behinderung eines nachhaltig wettbewerbsorientierten Marktes und die Beeinträchtigung der Endnutzer drohen. Regulierungsbehörden müssen außerdem prüfen, ob die Maßnahme notwendig und verhältnismäßig ist. Dabei sind die insoweit gleichrangigen Ziele des Art. 3 EECC zu berücksichtigen (C-327/24).

EuGH – Keine Anwendung der Haftungsprivilegierungen des DSA für Plattformbetreiber bei DSGVO-Verantwortlichkeit

Lässt sich der Betreiber eines Online-Marktplatzes umfangreiche Rechte an den eingestellten Inhalten einräumen, ist er "Verantwortlicher" i.S.d. Art. 4 Nr. 7 DSGVO. Sensible Daten müssen vor ihrer Veröffentlichung mittels geeigneter Maßnahmen (TOM) identifiziert, überprüft und bei fehlender Einwilligung (Art. 9 Abs. 2 Nr. 1 DSGVO) abgelehnt werden, Art. 24 bis 26 DSGVO. Die Haftungsprivilegierungen der E-Commerce-RL (nun: DSA) schließen diese datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit nicht aus (C-492/23).

EuGH – Örtliche Zuständigkeit für Verbandsklage

Zwei niederländische Stiftungen erhoben Verbandsklagen gegen den Betreiber eines App-Stores u.a. wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung wegen angeblich überhöhter Provisionen (Art. 102 AEUV). Aus Art. 7 Nr. 2 EuGVVO folgt, dass alle sachlich zuständigen Gerichte der Niederlande international und örtlich zuständig sind, denn der App Store ist speziell für den niederländischen Markt konzipiert (C-34/24).

EuG – Intel-Bußgeld deutlich reduziert

Das EuG bestätigte zwar Recht- und Verhältnismäßigkeit des Bußgeldbescheids der EUKOM wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung im Zusammenhang mit x86-Prozessoren. Das Gericht machte jedoch von seiner unbeschränkten Nachprüfungskompetenz (Art. 261 AEUV, Art. 31 VO (EG) Nr. 1/2003) Gebrauch und reduzierte die Geldbuße auf etwa 237 Mio. Euro (T-1129/23).

BVerfG – Wohnungsdurchsuchung wegen Archivlink verletzt Rundfunkfreiheit

Eine Wohnungsdurchsuchung bei einem Radio-Redakteur, der auf die Archivseite eines verbotenen Vereins verlinkt hat, ist verfassungswidrig. Allein die Verlinkung begründet keinen "sachlich zureichenden plausiblen Grund" für einen Verdacht der Unterstützung einer verbotenen Vereinigung (§ 85 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 StGB). Die Maßnahme verletzt die Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG), die auch den Schutz privater Arbeitsräume umfasst (Az. 1 BvR 259/24).

BGH – Kein Werktitelschutz für Filmfigur "Miss Moneypenny"

Der Name einer fiktiven Figur aus einem "Grundwerk" kann Werktitelschutz genießen. Dafür muss die Figur jedoch eine "gewisse Selbstständigkeit und eigenständige Bekanntheit" gegenüber dem Grundwerk besitzen. Bei der Filmfigur "Miss Moneypenny" ist dies im Verhältnis zur "James Bond"-Filmreihe nicht der Fall (PM v. 04.12.25; I ZR 219/24).

OLG Hamburg – Nutzungsvorbehalt bei Machine Learning in natürlicher Sprache unwirksam

Das Gericht bestätigte weitestgehend die Auffassung der Vorinstanz: Gegen die Verwendung eines Werkes zu wissenschaftlichen Zwecken nach § 60d UrhG existiert kein Nutzungsvorbehalt. Dieser kommt nur bei kommerziellem Text- und Data-Mining gem. § 44b UrhG in Betracht, muss aber maschinenlesbar formuliert sein. Das OLG hat die Revision zugelassen (5 U 104/24).

LG Lübeck – Unzulässige Datenverarbeitung durch "Business-Tools"

Werbetreibende setzen sog. Business-Tools ein, die beim Aufrufen ihrer Website Daten im Zusammenhang mit der Nutzung sozialer Netzwerke übermitteln. Betroffene Nutzer können die Unterlassung der Datenverarbeitung ausschließlich nach §§ 1004 Abs. 1 S. 2 analog, 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1 GG verlangen, nicht jedoch nach der DSGVO (ebenso EuGH C-655/23). Das Gericht schließt eine Wiederholungs- und Erstbegehungsgefahr aus der Verbreitung der Tools (15 O 15/24, nrk).

LG Berlin II – Pressefreiheit schützt ungefilterte Wiedergabe politischer Äußerungen

Geben Medien lediglich die tatsächlichen Äußerungen eines Politikers wieder und äußern keinen eigenen Verdacht, sind die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung nicht einzuhalten. Strenge Prüfpflichten wären mit Art. 5 Abs. 1, 2 GG und Art. 10 Abs. 2 EMRK unvereinbar, wenn Medien das politische Geschehen ungefiltert und vollständig abbilden. Dies entspricht der Linie des EGMR (48311/10) (PM v. 19.11.2025; 27 O 362/25 eV, nrk).

VG Düsseldorf – Internetzugangsanbieter sind vorerst nicht zur Sperrung pornografischer Internetseiten verpflichtet

Grund dafür ist die Entscheidung des EuGH C-376/22, wonach Nicht-Sitz-Mitgliedstaaten – abweichend vom Herkunftslandprinzip – zusätzliche Anforderungen an die Erbringung der Dienste nur stellen dürfen, wenn sie "einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft" betreffen. § 4 JMStV richtet sich hingegen an alle Anbieter von Telemedien. Die Untersagungsverfügungen gegen die Anbieter selbst bleiben jedoch vollziehbar (PM v. 19.11.25; 27 L 805/24, 27 L 806/24, 27 L 1347/24, 27 L 1348/24, 27 L 1349/24, 27 L 1350/24, nrk).