Compliance in der Transaktionspraxis

US-Justizministerium spezifiziert den Umgang mit Korruptions­risiken bei Unternehmensübernahmen

Im Zuge von Unternehmensübernahmen kaufen sich Erwerber mitunter nicht unerhebliche Compliance-Risiken ein. Gerade US-Behörden zeigen sich bei der internationalen Verfolgung von Wirtschafts­straftaten wie Korruption ausgesprochen aktiv. Jüngst hat sich ein hoch­rangiger Vertreter des US Department of Justice (DoJ) in einer Grundsatz­rede zum Umgang mit derartigen Risiken und der Compliance-Organisation von Zielgesellschaften im Zusammen­hang mit M&A geäußert. Hierbei stellte Deputy Assistant Attorney General Matthew Miner die Grundsätze vor, die das DoJ künftig im Falle der Identifizierung von Korruptions­sachverhalten bei einem erworbenen Unternehmen anwenden will.

Im Ausgangspunkt befürwortet das DoJ Investitionen rechts­treuer Unternehmen gerade auch in Hochrisiko­ländern und -industrien. Derartigen Investoren wird am ehesten zugetraut, etwaige Compliance-Probleme zu identifizieren, Abhilfe­maßnahmen zu ergreifen und bei der Ziel­gesell­schaft eine starke Compliance-Kultur zu implementieren. Das DoJ hat aber auch erkannt, dass rechts­treue Unter­nehmen vor den erheblichen Risiken einer Infizierung mit Compliance-Problemen bei einer Ziel­gesellschaft tendenziell zurück­schrecken, was zur Folge hätte, dass gerade die Hochrisiko­märkte Investoren mit schwacher Compliance-Kultur überlassen würden. Die Rede von Miner zeigt hier Lösungsansätze aus der DoJ-Sicht auf. Im Kern sollen klare und verlässliche Rahmen­bedingungen für die Behandlung eines „erworbenen“ Korruptions­falls geschaffen werden. Dadurch sollen Investoren in die Lage versetzt werden, bei Beachtung der entsprechenden Anforderungen Sanktionen des DoJ vollständig zu vermeiden.

Das Konzept ruht auf zwei Säulen, von denen es sich bei der ersten um die FCPA Corporate Enforcement Policy vom Herbst vergangenen Jahres handelt. Hiernach gilt eine Vermutung dafür, dass das DoJ auf eine Sanktionierung eines Unternehmens nach dem Foreign Corrupt Practices Act (FCPA) gänzlich verzichtet (sog. Declination), wenn dieses ein Fehl­verhalten nach dessen Aufdecken unverzüglich freiwillig dem DoJ meldet, vollumfänglich kooperiert sowie rasche und angemessene Abhilfe­maßnahmen ergreift. Außerdem wird von dem betroffenen Unternehmen eine Zahlung zur Abschöpfung der Vorteile aus den illegitimen Aktivitäten verlangt.

Strafrabatt möglich

Die Rede von Miner kann dahingehend verstanden werden, dass das DoJ außerdem eine den Umständen nach sorgfältige Compliance Due Diligence verlangt. Hierbei wird ausdrücklich dem Umstand Rechnung getragen, dass eine Prüfung insbesondere bei börsen­notierten Zielunter­nehmen oder in Hochrisiko­jurisdiktionen vor der Akquisition nur eingeschränkt möglich sein kann.

Das DoJ stellt indes einen Verzicht auf Straf­verfolgung nicht ausnahmslos in Aussicht. So behält es sich die Verhängung von Sanktionen insbesondere in Fällen vor, in denen das Fehlverhalten hochrangige Führungs­kräfte involvierte, erhebliche Gewinne abwarf, weit verbreitet war oder wiederholt auftrat. Aber selbst in diesen Fällen wird ein erheblicher Strafrabatt zugesagt, wenn das betroffene Unternehmen freiwillig meldet, mit dem DoJ umfassend kooperiert und angemessene Abhilfe­maßnahmen ergreift.

Bei der zweiten Säule handelt es sich um ein Verfahren, das eine Art Unbedenklichkeits­bescheinigung des DoJ zum Gegenstand hat. Hierzu reaktivierte das DoJ die bislang wenig genutzte FCPA Opinion Procedure. Hiernach kann der Behörde ein konkreter Sachverhalt zur Beurteilung der Zulässigkeit nach den Regelungen des FCPA vorgelegt werden. Das DoJ ermuntert Erwerbs­interessenten ausdrücklich, dieses Verfahren bei unklaren Sachverhalten, die im Rahmen einer M&A Due Diligence identifiziert wurden, in Anspruch zu nehmen. Hierdurch sollen Interessenten in die Lage versetzt werden, noch vor Umsetzung eines Erwerbs Rechts­sicherheit zu erhalten. Hierbei ist dem DoJ der Zeitdruck in derartigen Prozessen bewusst. Es stellt eine Beschleunigung der Prüfung zu einem gewissen Grad in Aussicht, weist aber auch darauf hin, dass der Einsatz von etwas mehr Zeit im Vorfeld insbesondere bei Hochrisiko­trans­aktionen lohnend sein kann.

Voraussetzung für die Erteilung einer derartigen behördlichen Beurteilung ist die vollständige und richtige Offenlegung der identifizierten Fakten sowie der geplanten Maßnahmen. Der Antrag soll bei der Behörde eingereicht werden, bevor sich der Bieter verpflichtet, die Ziel­gesellschaft zu erwerben. Bescheinigt das DoJ daraufhin, dass das Vorhaben im Einklang mit der aktuellen Verfolgungs­praxis der Behörde ist, soll eine Vermutung dafür sprechen, dass das Vorhaben den FCPA-Anforderungen entspricht.

Das DoJ will sich mit dieser Initiative als Partner der Wirtschaft verstanden wissen. Kooperations­willigen Unternehmen wird eine faire Behandlung nach transparenten Kriterien zugesichert und bei Beachtung der Spielregeln Straffreiheit in Aussicht gestellt. Damit setzt das DoJ seine Bemühungen fort, die mit Compliance-Fällen verbundenen erheblichen Risiken besser handhabbar zu machen. Die Behörde lässt sich hierbei von der Überlegung leiten, dass ausufernde Unternehmens­sanktionen unbeteiligten Aktionären, Arbeit­nehmern und anderen Stakeholdern Schaden zufügen und daher im Grundsatz zu vermeiden sind.

Gleichzeitig lässt das DoJ keinen Zweifel daran, dass es individuelles Fehlverhalten konsequent verfolgen wird. Hier setzt sich eine seit Längerem zu beobachtende Fokussierung auf Individuen fort, die in dem Yates-Memorandum von 2015 in eine formalisierte Richtlinie gegossen wurde. Hiernach können Unternehmen einen Kooperations­bonus nur dann erlangen, wenn sie dem DoJ auch Informationen über die am mutmaßlichen Fehlverhalten beteiligten Individuen offenlegen. Dieser Grundsatz wird auch in der FCPA Corporate Enforcement Policy aufgegriffen.

Auch für EU-Unternehmen

Was bedeutet dies für Akteure in der EU? Begrüßenswert sind die Bestrebungen des DoJ, für mehr Transparenz, Rechtssicherheit und Beherrschbarkeit bezüglich Compliance-Risiken zu sorgen. Problematisch ist aber, dass die Formulierung der FCPA Opinion Procedure nur Unternehmen mit Sitz oder Börsennotierung in den USA zu erfassen scheint. Die künftige Praxis wird zeigen, ob das DoJ dieselben Grundsätze auch auf EU-Unternehmen anwendet. Zudem ist zu beachten, dass die von Miner beschriebenen Richtlinien ausschließlich für Korruptions­sachverhalte im Anwendungsbereich des FCPA gelten. Es wäre wünschenswert, wenn diese auf sämtliche Verfolgungs­aktivitäten in der Zuständigkeit des DoJ ausgedehnt würde. Weitet man das Blickfeld, erstreckt sich dies Petitum auch auf die Verfolgungs­aktivitäten der Attorney Generals der 50 US-Einzelstaaten und der übrigen Behörden.

Kumulation von Bußen

In diesem Zusammenhang steht ein weiteres Themenfeld, namentlich das Risiko einer erheblichen Kumulation von Bußgeldern, Strafen, Abschöpfungs­zahlungen und anderen Sanktionen durch eine Vielzahl von Behörden. Dieses als „Piling-on“ bekannte Problem wurde unlängst vom DoJ aufgegriffen. Künftig sind Mitarbeiter des DoJ gehalten, sich in Bezug auf einen bestimmten Compliance-Sachverhalt mit anderen Abteilungen des DoJ, aber auch anderen mit dem Fall befassten Behörden im In- und Ausland abzustimmen. Hierbei wird das Ziel verfolgt, durch die Berücksichtigung der Sanktionen anderer Behörden insgesamt eine angemessene Gesamtstrafe zu erreichen. Damit setzt sich ein positiver Trend in der Praxis des DoJ fort, exzessiven Belastungen von Unternehmen gerade in internationalen Fällen entgegenzuwirken. So hat das DoJ im Vimpelcom-Fall auf eine Kriminalstrafe von 460 Mill. Dollar eine Zahlung von 230 Mill. Euro an die nieder­ländischen Straf­verfolgungs­behörden angerechnet. Schließlich unterstreicht die Verlautbarung des DoJ die Bedeutung einer sorgfältigen Compliance Due Diligence bei M&A-Transaktionen. Sofern im Vorfeld des Signing nicht praktikabel, zeichnet sich die Erwartungshaltung der Behörde ab, dass diese nach dem Closing durchgeführt werden sollten. Aus der EU-Perspektive steht zu erwarten, dass diese Entwicklungen Einfluss auf die Herausbildung von Best Practices im M&A-Markt haben werden.

Erschienen in der Börsen-Zeitung, Ausgabe 168 vom 01.09.2018, Seite 13