Am Quai d’Orsay

Dr. Yasemin Jüngling hat einen Teil ihrer Anwaltsstation bei Bredin Prat, unseren französischen Best Friends, in Paris verbracht. Inzwischen arbeitet sie als Anwältin im Berliner Büro von Hengeler Mueller.

Paris ist eine Stadt der Sehnsucht – nicht nur für Globetrotter und Gourmets, Kunstliebhaber und Modeinteressierte, sie kann es auch für Referendare sein. Ich hatte während meines Studiums bereits ein Jahr in Paris gelebt und hoffte seitdem, einmal wieder eine längere Zeit dort verbringen zu können. Zwischen Promotion und Referendariat arbeitete ich bei Hengeler Mueller als wissenschaftliche Mitarbeiterin und erfuhr von dem Best Friends-Netzwerk, zu dem auch die französischen Kollegen von Bredin Prat gehören. Mein Wunsch, die Anwalts­station in Paris zu verbringen, ließ sich reibungslos in die Tat umsetzen.

Im Januar 2016 begann ich meine Station am Quai d’Orsay – zu meiner Überraschung mit fast 30 anderen neuan­kommenden „stagiaires“. Wir wurden alle in einem der großen Konferenz­säle begrüßt und zunächst einmal durch das Haus geführt. Erst wenige Wochen zuvor war Bredin Prat aus dem ehrwürdigen Gebäude in der Rue du Faubourg Saint-Honoré ausgezogen und hatte die neuen Räume einer schon längere Zeit ausgedienten Tabakfabrik zwischen Eiffelturm und Invalides bezogen. Der Umzug war noch Gesprächs­thema Nummer Eins und schien bei allen Mitarbeitern sowohl mit Wehmut über die vergangene Zeit „rive droite“ als auch mit Freude über die neuen Möglich­keiten „rive gauche“ verbunden zu sein. Jedenfalls waren wir Praktikanten nicht die einzigen, die anfangs noch suchend über die Flure liefen.

Eine besonders ausführliche Einweisung erhielten wir in die gut aus­gestattete Bibliothek, wo gleichzeitig die Arbeitsplätze für die Praktikanten sind. Jeder Praktikant ist grundsätzlich einem der beiden Bereiche „Corporate“ oder „Contentieux“, das heißt Litigation zugeordnet, wobei es auch Unter­zuordnungen wie etwa zu den Fachgruppen „Arbitrage“ oder „Financement“ gibt. Innerhalb der Gruppen besteht aber keine feste Anbindung an einen Partner („associé“) oder Associate („collaborateur“). Daher adressieren die Anwälte ihre Recherche­aufträge in der Regel an alle „stagiaires“ gemeinsam. In den ersten Tagen verteilte sich so die Arbeit auf die Praktikanten. War man bereits in ein Mandat einbezogen, bekam man aber auch auf direktem Wege weitere Arbeits­aufträge hierzu. Eilte eine Sache wiederum besonders, sprangen andere Praktikanten ein. Diese recht flexible Arbeits­weise ermöglichte uns, in viele unterschiedliche Mandate eingebunden zu werden und mehrere Anwälte – Partner wie Asscociates – kennen zu lernen. Ich war eine von zwei ausländischen Praktikanten und um mir den Start zu erleichtern, wurde ich entgegen der Regel einem Anwalt aus der Fach­gruppe Banken­regulierung direkt zugeordnet, sodass ich einen festen Ansprechpartner hatte.

Die meisten Praktikanten waren auf der „EFB“, der Ecole de Formation professionnelle des Barreaux de la Cour d'Appel de Paris, und verbrachten ihr sechsmonatiges „stage final“ bei Bredin Prat. Dieses Praktikum ist für französische Jura-Absolventen die letzte Station der Anwalts­schule und gleichzeitig der Sprung ins Berufsleben. Den engen Kontakt zu den vielen anderen Praktikanten in einem vergleich­baren Ausbildungs­abschnitt habe ich als hilfreich und freund­schaftlich empfunden. Manche Frage ließ sich während der Arbeit unkompliziert mit dem Nachbarn klären, wir gingen in der Mittags­pause zusammen in die hauseigene Kantine und trafen uns gelegentlich abends noch auf ein Glas Wein.

Die Arbeitssprache bei Bredin Prat ist Französisch und Englisch, wobei weitere Sprachkenntnisse auch im Arbeits­alltag willkommen sind. So lernte ich beispielsweise eine Praktikantin kennen, die im Bereich Arbitration fast ausschließlich auf Arabisch arbeitete. Gelegentlich kam es vor, dass jemand eine schnelle Übersetzung vom Deutschen ins Französische oder Englische brauchte, was ich natürlich gerne übernahm. Die Praktikanten bekommen konkrete Arbeits­aufträge, die meist am selben Tag zu erledigen sind. Durch mein Studium in Paris war ich bereits mit den kommentierten französischen Gesetz­büchern und gängigen Zeit­schriften vertraut. Praktisch erfolgte die Recherche aber auch zu einem großen Teil über die juristischen Datenbanken, in denen Gesetze, Recht­sprechung und Literatur online abrufbar sind.

Ein Highlight während meiner Praktikumszeit war es, eine Konferenz der Best Friends zu neuen Entwicklungen im Banken­regulierungs­recht zu organisieren, die in Paris ausgerichtet wurde. Der Austausch zwischen den Anwälten aus Frankreich (Bredin Prat), Deutschland (Hengeler Mueller), England (Slaughter and May), den Niederlanden (De Brauw), Italien (BonelliErede) und Spanien (Uría Menéndez) war hochkarätig, hochaktuell und herzlich, wie man es von Best Friends erwartet.

Die drei Monate vergingen wie im Flug. Für mich war es eine besonders spannende Station und eine tolle Zeit in Paris, in der ich die Stadt natürlich auch ausgiebig erkundete und wiederentdeckte. Morgens nach einem Croissant meinen Arbeitsweg mit einem „Vélib“ an der Seine zurückzu­legen und viele weitere Dinge vermisse ich schon jetzt. Umso mehr freue ich mich auf einen neuen Besuch! Yasemin Jüngling